Anlass und Hintergrund des Beitrags
In einem Schreiben aus Dezember 2024 (Schnellbrief 401/2024) hat der DStGB NRW das Thema "Auswirkung eines Verlustvortrages in der mittelfristigen Finanzplanung gemäß § 84 Abs. 2 S. 3 GO NRW" aufgegriffen. Seit Einführung des 3. NKF-Weiterentwicklungsgesetztes im Frühjahr 2024 war es in der kommunalen Familie wegen des neu eingeführten Verlustvortrages (§ 79 Abs. 3 S. 2 GO NRW) vermehrt zu Rückfragen gekommen, welche Auswirkungen diese Norm in der Praxis haben könne. Denn gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 GO NRW kann (Zitat) " Die Aufsichtsbehörde (..) die Gemeinde zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes verpflichten, wenn die stetige Erfüllung der Aufgaben nach § 75 Absatz 1 Satz 1 nicht gesichert erscheint." Aber wann genau ist dies der Fall? Wie kann eine Kommune sich darauf einstellen? Entsprechend skeptisch bis verunsichert hat die kommunale Praxis reagiert. Es mangele an der praktischen Einschätzbarkeit dieser neuen Regelung. Auch die vom zuständigen Ministerium als begleitendes Material zum 3. NKFWG herausgegebene FAQ-Broschüre biete keine ausreichenden Antworten.
Insoweit es sich um eine - wohl die einzige - außerhalb des § 76 GO NRW vorhandene HSK-Regelung handelt, ist sie den am Verbrauch oder Vorhandensein von allgemeinen Rücklagen orientierten § 76 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GO NRW gegenüber zu stellen und einzuordnen. Das Ministerium (hier das MHKBG NRW) hat auf die Rückfragen laut Schnellbrief des DStGB geantwortet, dass "bewusst" keine Wertgrenzen (wie vergleichsweise in § 76 Abs. 1 GO NRW) festgelegt worden seien. Damit sei die Entscheidung über die Verpflichtung zur Aufstellung eines HSK bewusst in das pflichtgemäße Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellt worden.
Um das "pflichtgemäße Ermessen der Aufsichtsbehörde" zu konkretisieren, wird die "Gesamtbetrachtung der örtlichen Haushaltsplanung"als Beurteilungsgrundlage herangezogen. Weiter wird konkretisiert, dass die Überschuldung (§§ 75 Abs. 7 i.V.m. § 84 Abs. 2 sowie § 95 Abs. 2 und 5 GO NRW) als ein möglicher Indikator für eine solche Gefährdung ("... nicht gesichert erscheint ..") herangezogen werden kann.
Man darf wohl annehmen, dass eine Kommune, deren Allgemeine Rücklagen bereits soweit verbraucht sind, dass in der mittelfristigen Planung die Überschuldung droht, von sich aus Maßnahmen zur Rückkehr in die genehmigungsfähige Hauhaltswirtschaft unternommen hat. Dann wäre diese Regel jedoch gegenstandslos. Was also wollte der Gesetzgeber mit dieser Regelung bezwecken? Und wie lässt sich die wohl äußerste Grenze der kommunalen Finanzwirtschaft - die Gefährdung der jederzeitigen Aufgabenerfüllung gemäß § 75 Abs. 1 GO NRW - objektiv und nachvollziehbar "ermessen", denn darin besteht ja die Herausforderung für die Aufsichtsbehörden?
Rechtslage
Ein Blick in Gesetz und das einschlägige Schrifttum gibt Aufklärung, welche Kriterien neben dem Überschuldungsverbot zur Objektivierung einer Leistungsgefährdung neben den Haushaltsergebnissen bei Kommunen heranzuziehen sind:
ad 1
Unmittelbar evident ist das Kriterium der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit (Liquiditätssicherheit). Zudem beruht die Einschätzung der Liquiditätslage auf einer angemessenen Liquiditätsplanung, die notwendige Risikovorsorgen umfassen muss, z.B. im Wege des Nachweises von Liquiditätsreserven (=Geldanlagen). Insoweit wären aber Verlustvorträge, die überwiegend aus nicht-zahlungsrelevanten Ursachen wie Abschreibungen oder Zuführungen zu langfristigen Rückstellungen (z.B. Pensionsrückstellungen) resultieren, für eine kurzfristige Haushaltsbeurteilung geschweige denn für eine HSK-Verpflichtung irrelevant. Darauf müsste die Aufsichtsbehörde eingehen.
ad 2
Investitionskostenrisiken hängen bekanntlich von vielen nur teilweise abschätzbaren Faktoren ab. Zur Milderung der Risiken sind gemäß § 13 KomHVO NRW Wirtschaftlichkeitsvergleiche und Kostenberechnungen vorgeschrieben. Die vom zuständigen Ministerium angemahnte Gesamtbetrachtung der Haushaltswirtschaft müsste folglich in kritischen Fällen die Angemessenheit dieser Investitionskostenplanungen und deren voraussichtliche Auswirkungen auf die Haushaltswirtschaft bzw. auf die mittelfristige Finanzplanung einer Kommune beurteilen. Wie sollte sie das machen?
ad 3
Die Schätzung von Folgekostenrisiken gehört sicherlich ebenfalls zu den eher schwierigen Teilen einer haushaltswirtschaftlichen Beurteilung. Sie hängt wesentlich von externen Faktoren ab, insbesondere Zins-, Preis- und Lohnkostenentwicklungen, auf die die Kommunen selbst keinen wesentlichen Einfluss haben. Hinzu kommen individuelle Kostenrisiken beispielsweise einer bestimmten Bauweise oder ~branche (z.B. bestimmter Brückenbau) oder eines bestimmten technologischen Umfeldes (z.B. digitale Zustandserfassungen, Sensortechnik etc.). Da die Gesamtsituation einer kommunalen Haushaltswirtschaft immer ein Mix unterschiedlicher Kostenrisiken bedeutet, besteht die Herausforderung darin, eine Beurteilung der Gesamtrisikosituation zu erarbeiten. Zumal dann, wenn die Aufsichtsbehörde zu einem negativen Ergebnis kommt, also ein HSK anordnet. Wie wird so etwas gemessen?
ad 4
Eine wesentliche Ursache für (drohende) Überschuldungen können sodann Kreditaufnahmen sein, insbesondere im Bereich von Kassenkrediten, die sich als unvermeidbare Folge einer sich verschlechternden hauhaltswirtschaftlichen Lage ergeben. Um einen kurzfristigen Liquiditätsengpass im Sinne der obigen Nr. 1 zu verhindern sind sie jedoch notwendig. Sollte die Bonität einer Kommune so schlecht sein, dass es der Kommune nicht mehr möglich ist, eigene Kredite aufzunehmen (ein äußerst seltener Fall, ist aber schon vorgekommen), müsste unter Umständen die nächst höhere stattliche Ebene eintreten. Das wäre ein finanzwirtschaftlicher "Super-GAU" und muss natürlich vermieden werden.
Vor dem bis hierhin skizzierten Hintergrund scheint es zunächst wenig zweckmäßig, eine HSK-Verpflichtung nicht bereits überschuldeter Kommunen in das Ermessen der Aufsichtsbehörden zu stellen, nur weil ein einmaliger Verlustvortrag geplant wird, sofern die anderen Kriterien hierzu keinen Anlass geben. Das ist vermutlich auch gar nicht beabsichtigt.
Anders scheint die Lage, wenn die haushaltswirtschaftlichen Kennzahlen nicht so eindeutig sind oder sich die Beurteilung auf ein Kriterium wie die drohende Überschuldung stützt, d.h. wenn gemäß der mittelfristigen Haushaltsplanung nach § 84 GO NRW die Allgemeinen Rücklagen vollständig aufgebraucht werden sollen und sich dies nur durch einen Verlustvortrag formal verhindern lässt. Das gesamte Eigenkapital ist dann trotzdem negativ. Dann könnte allerdings entgegnet werden, dass die Regelung in jedem Falle ungeeignet ist, denn
Setzt man einmal voraus, dass die Möglichkeiten einer weiteren Einnahmesteigerung - insbesondere aus Hebesatzerhöhungen - bereits ausgereizt sind, bleiben nur Ausgabenminderungen als Sanierungsmöglichkeit. Und das braucht bekanntlich Zeit und Gestaltungsspielräume (wer jemals geplant hat, eine Schule oder ein Schwimmbad zu schließen, weiss was gemeint ist). Im Falle eines HSK gemäß § 76 GO NRW oder gar der vorläufigen Haushaltsführung (§ 82 GO NRW) ist beides nur sehr eingeschränkt vorhanden.
Angesichts dieser Sachlage ist es wenig überraschend, dass der DStGB Zweifel hat, ob " .. über den angedeuteten Fall einer indizierten Überschuldung hinaus überhaupt ein sinnvoller Anwendungsbereich für die Norm verbleibt." Jedenfalls greift auch nach der hier vertretenen Auffassung das Überschuldungskriterium als rein formales Kriterium zu spät und zu kurz. Denn man muss sich noch einmal vergegenwärtigen: die Regelung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 GO NRW - Verlustvortrag als Begründung einer HSK-Verpflichtung - kommt ja nur dann in Betracht, wenn nicht bereits vorher auf Grundlage der aktuellen Haushalts- und Jahresabschlussdaten ein Fall des § 76 Abs. 1 Nr 1 bis 3 eingetreten ist (d.h. einmalig 25% oder zweimal hintereinander 5% Rücklagenverbrauch oder die Kommune ist bereits bilanziell überschuldet) bzw. nur dann, wenn durch den Verlustvortrag eine dieser Bedingungen erkennbar umgangen werden soll. Aber letzteres ist ja Sinn und Zweck des Verlustvortrages, oder?
Warum also diese neue (HSK-) Regelung? Und für wen genau?
Nähere Begründung der Neuregelung(en)
Die Ursachen liegen etwas tiefer (und der Teufel im Detail).
In der Gesetzesbegründung (vgl. Landtag NRW LT-Drs. MMD18-7188 v. 06.12.2023, S. 73) wird ausgeführt: " [§ 84 ..] Absatz 2 berücksichtigt die Möglichkeit, den Haushaltsausgleich innerhalb der mittelfristigen Ergebnis- und Finanzplanung über das Vortragen von Jahresfehlbeträgen herzustellen. In diesem Fall unterliegt die Vortragung der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Dies korreliert mit dem Verfahren, das auch bisher mit der Verringerung der allgemeinen Rücklage zur Anwendung kommt. Wegen der Wirkungen, die das Vortragen von Jahresfehlbeträgen auf das Eigenkapital haben kann, wird die bisherige Sicherung gegen den vollständigen Eigenkapitalverbrauch aus dem bisherigen § 76 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 nunmehr hier verankert [= § 84 Abs. 2 GO NRW, d.Verf.]. Die Genehmigung kann unter Bedingungen und mit Auflagen erteilt werden. Sofern die stetige Erfüllung der Aufgaben nicht gesichert erscheint (Umkehrung aus § 75 Absatz 1 Satz 1), kann die Aufsichtsbehörde auch die Notwendigkeit zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes anordnen."
Demnach wird die Wirkung eines Verlustvortrages auf das (dann voraussichtlich negative) Eigenkapital einer (künftigen) kommunalen Schlussbilanz dem negativen Eigenkapital im Sinne des § 76 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW n.F. (= bilanzielle Überschuldung) gleichgestellt. Etwas missverständlich scheint die Formulierung " (..) Wegen der Wirkungen, die das Vortragen von Jahresfehlbeträgen auf das Eigenkapital haben kann, ...", denn Verlustvorträge haben nach allgemeiner Auffassung keine "Wirkungen auf das Eigenkapital", da sie ein Teil davon sind. Gemeint waren vermutlich erstens die Wirkungen auf die Allgemeinen Rücklagen (daran knüpft ja § 76 Abs. 1 GO NRW im Wesentlichen an, nicht etwa an "das Eigenkapital" als Ganzes - natürlich mit Ausnahme der Nr. 3, die aber in Wirklichkeit auch den vollständigen Verbrauch der Allgemeinen Rücklagen meint (vgl. § 76 Abs. 1 Nr. 3 GO a.F.) - und zweitens das tatsächliche Eintreten der Überschuldung im Sinne des § 76 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW i.V.m. § 95 Absatz 5 GO NRW. Das bedeutet, dass die Kommunalaufsicht eine Prognose der tatsächlichen künftigen Eigenkapitalentwicklung einer Kommune vornehmen muss, will sie darauf eine HSK-Genehmigung gemäß § 84 Abs. 2 S. 3 GO NRW begründen. Diese Änderung steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit den Änderungen des § 76 Abs. 1 GO NRW. Denn in der alten Fassung wurde wegen § 76 Abs. 1 Nr. 3 ein HSK auch dann fällig, wenn zu einem späteren Zeitpunkt aber noch im Rahmen der mittelfristigen Haushaltsplanung die Überschuldung voraussichtlich eintrat. Da aber diese mittelfristige Perspektive in der Neufassung des § 76 Abs. 1 Nr 3 GO NRW fehlt, musste eine Ersatzlösung her, die in dem in Rede stehenden § 84 Abs. 2 S. 3 GO NRW gefunden wurde.
Zu den Änderungen im § 76 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW führt die Gesetzesbegründung sodann Folgendes aus: "Nummer 3 sieht im geltenden Recht als ein auslösendes Momentum für die Notwendigkeit zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzeptes den vollständigen Verbrauch der allgemeinen Rücklage innerhalb des Zeitraumes der mittelfristigen Ergebnis- und Finanzplanung nach § 84 vor. Dieses auslösende Momentum kann (siehe Erläuterungen zur nachhaltigen Finanzwirtschaft zu § 75) entfallen." Was damit gemeint ist, scheint nicht ganz klar.
Auswirkungen auf die Allgemeinen Haushaltsgrundsätze?
Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 GO NRW ist die Haushaltswirtschaft unverändert so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. Daran ändert sich selbstverständlich auch durch das 3. NKFWG NRW nichts. Formaler Ausdruck dieser Verpflichtung ist der auch mittelfristig zu betrachtende Haushaltsausgleich in Form der verschiedenen vom Gesetz eröffneten Wege. Die Verlagerung des Globalen Minderaufwands von § 75 Abs. 2 GO NRW nach § 79 Abs. 3 GO NRW ändert ebenfalls nichts an diesen zentralen Grundsätzen. Es bleibt die Kernaussage, dass " ... Der Ausgleich von Erträgen und Aufwendungen innerhalb eines Haushaltsjahres oder wenigstens in einem mittelfristigen Zeitraum [ .. ] Grundprinzip einer nachhaltigen Finanzwirtschaft [..ist]" (vgl. die Gesetzesbegründung, a.a.O., S. 66). Bis hierhin wenig überraschend.
Die Verpflichtung zur Herstellung eines Haushaltsausgleichs wird sodann um die in § 75 Absatz 6 GO NRW geregelte Liquiditätssicherheit ergänzt. Es ergeben sich also im Sinne einer haushaltswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung mindestens die beiden Beurteilungskriterien der Ausgleichsverpflichung und der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit. Beide Ziele können gefährdet sein. Wichtig scheint jetzt die Frage, in welchem Verhältnis der Eigenkapitalausweis im Sinne des § 76 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW zu den beiden oben genannten Hauptkriterien steht. Denn beispielsweise enthält § 75 GO NRW in den Absätzen 1 bis 6 keine explizite Verpflichtung zu einem positiven Eigenkapital, nur im "Doppik_Absatz" § 75 Absatz 7 GO NRW ist davon die Rede. Es ist insoweit denkbar, auch dauerhaft mit einem negativen Eigenkapital zu "haushalten", sofern die Vorgaben (1) Haushaltsausgleich und (2) Zahlungsfähigkeit gesichert erscheinen (die kommunale Praxis hat das ja bewiesen). Allerdings nach vormaliger Rechtslage wegen § 75 Absatz 7 GO NRW i.V.m. § 76 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW a.F. ohne einen genehmigten Haushalt, selbst bei Aufstellung eines freiwilligen HSKs.
Insofern ist die Verpflichtung zur Aufstellung eines HSK wegen vortragsbedingter Überschuldung gem. § 84 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 75 Absatz 7 GO NRW eine vom Gesetzgeber konkludent ergänzte Regelung, die der Vermutung folgt, dass im Falle eines Verlustvortrages - genauer bei negativen Allgemeinen Rücklagen wegen des Verlustvortrages - auch etwas mit der Haushaltswirtschaft nicht stimmen kann. Woher sollte der niedrige Rücklagenbestand stammen, wenn nicht aus früheren Jahresfehlbeträgen? Also muss hiergegen etwas unternommen werden, z.B. mittels HSK. Um der Überschuldung rechtzeitig entgegen zu wirken, wird die HSK-Auflage ab dem ersten Verlustvortrag geprüft, sebst bei ansonsten auskömmlicher Eigenkapitalausstattung. Aber für diese Kommunen ist die Regelung auch gar nicht geschaffen worden - sondern für die überschuldeten - wie aus den nächsten Ausführungen gleich deutlich wird.
Überschuldete Kommunen als Normadressaten?
Denn weiters führt die Gesetzesbegründung aus: "Mit Nummer 3 (neu) [gemeint ist § 76 Abs. 1, d.Verf.] wird hingegen eine bisher bestehende Regelungslücke für die Kommunen geschlossen, die in ihrer Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausweisen. Diese Kommunen waren bisher nicht in der gesetzlichen Verpflichtung ein Haushaltssicherungskonzept aufzustellen – mit der Folge, dass bei einer Überschuldung und einem freiwillig aufgestellten Haushaltssicherungskonzept keine aufsichtliche Genehmigung für den Haushalt erteilt werden konnte. Mit der neuen Nummer 3 können die betroffenen Kommunen in eine aufsichtlich begleitete Haushaltswirtschaft überführt werden, so dass die Haushaltssicherungskonzepte, sofern diese die Bedingungen im Hinblick auf den Haushaltsausgleich erfüllen, einer Genehmigung zugeführt werden können." Das scheint nicht verkehrt zu sein.
Hier wird auf den oben genannten Fall eingegangen, dass eine Kommune mit negativem Eigenkapital durchaus eine - kurz oder mittelfristig - geordnete
Haushaltswirtschaft aufweisen kann, also durchaus den Haushaltsausgleich und die Zahlungsfähigkeit sicherstellen kann - gleichwohl aus der Überschuldung kurz- oder mittelfristig nicht herauskommt. Dann ergibt sich die ungewollte Rechtsfolge, dass trotz Erfüllens der Bedingungen des § 75 Absätze 1 bis 6 GO NRW kein genehmigungsfähiger Haushalt aufgestellt werden kann, denn die Allgemeine Rücklage wird ja nicht verbraucht, weil schon längst gar keine mehr vorhanden ist (!). Ein klassisches Eigentor des Gesetzgebers.
"Nur" wegen Einführung der Doppik (denn erst seit diesem Zeitpunkt gibt es überhaupt die Bilanz und damit das Eigenkapital als Haushaltsgrundlage) nur im Rahmen der Doppik also gibt es einen § 75 Absatz 7 GO NRW (Überschuldungsverbot), die kommunale Haushaltswirtschaft gibt es aber schon viel länger. Was, wenn das negative Eigenkapital gar nicht aus einer signifikant schlechteren Haushaltslage, sondern wegen einer übertrieben vorsichigen Vermögensbewertung und ausufernder Aufwandsverrechnungen entstanden wäre? Denn letztlich ist ja das Eigenkapital lediglich die Differenz zwischen Vermögen und Schulden einer Kommune und Verlustvorträge sind inhaltlich ein Teil der Schulden (im Sinne von Eigenkapitalverbrauch). Dann würden weitere Einschränkungen der haushaltswirtschaftlichen Gestaltungsfreiheit vor Ort möglicherweise sogar kontraproduktiv wirken. Eigenkapital also lediglich als Summe aus "Ertragslage plus Vermögensbewertungseffekte"? Das wird gleich noch deutlicher.
Schließlich führt die Gesetzesbegründung (a.a.O. S. 66 f.) noch aus: "Nach dem unveränderten § 76 Absatz 2 dient das Haushaltsicherungskonzept dem Ziel, im Rahmen einer geordneten Haushaltswirtschaft die künftige, dauernde Leistungsfähigkeit der Gemeinde zu erreichen. Es bedarf der Genehmigung der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde. Eine sich in der Haushaltssicherung befindliche Kommune unterliegt einer stärkeren kommunalaufsichtlichen Begleitung ihrer Haushaltswirtschaft. Nach den individuellen Vorgaben des Konzeptes können Art und Umfang der kommunalen Aufgabenwahrnehmung beschränkt sein. Durch die Aufnahme des § 76 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und der damit beabsichtigten Überführung von Kommunen mit einem in der Bilanz ausgewiesenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in eine aufsichtlich begleitete Haushaltswirtschaft, wird Absatz 2 um einen neuen Satz 6 ergänzt: Die Kommunen, die ihr Eigenkapital aktiv stehen haben, haben zusätzlich zum Haushaltssicherungskonzept ein Zukunftskonzept beizufügen, in dem sie darlegen, wie ein nachhaltiger Wiederaufbau des Eigenkapitals erfolgen soll." In der endgültigen Fassung wurde der Wortlaut geändert und auf "Maßnahmen zum nachhaltigen Wiederaufbau des kommunalen Eigenkapitals" festgelegt. Auch hier wird mE deutlich, dass der eigentliche Adressat dieser Regelung die überschuldete Kommune ist, nicht diejenige, die einmalig einen Verlustvortrag einplant.
Fazit
In der Summe der Rechtswirkungen aller genannten Änderungen ergibt sich insoweit m.E. Folgendes:
Eine wesentliche Rolle wird deshalb dem angekündigten "ermessensleitenden Erlass für die Aufsichtsbehörden" zukommen, der nach der hier vertretenen Auffassung in diesem Sinne gestaltet werden sollte, d.h. neben einer üblichen Überprüfung der örtlichen Ergebnisprognose (Würdigung der örtlichen Haushaltsplanung) explizit
Da es sich hier durchweg um Risikoeinschätzungen handelt, könnten die Methoden der Risikoquantifizierung - wie sie vergleichsweise für Banken im Rahmen von Stresstests o.Ä. angewendet werden - herangezogen werden. Aus Gründen der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit sollten Regelungen zur Vereinfachung bzw. Nachvollziehbarkeit der Berechnungsweise (Modellvereinfachungen) berücksichtigt werden, beispielsweise indem explizit eine mittelfrisige Entwicklungsprognose für Kassenkredite vorgeschrieben wird. In Betracht kommen hier neben stochastischen Zeitreihen-analysen (ARIMA-Verfahren) als Prognoseverfahren vielleicht Value-at-Risk-Verfahren zur Risikobewertung und/oder neuere Klassifikationsverfahren des Machine-Learning-Umfelds wie random forests oder LOGIT-Verfahren (also logistische Regressionen), wenn es um die finale Entscheidung "Hopp oder Topp" geht. Beides müsste natürlich hinreichend normiert und zudem in allgemein verständlicher Form dargestellt und begründet werden. Was aber nicht unmöglich erscheint, wenn auch etwas ambitioniert.
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